Aus dem Bedürfnis uns noch intensiver über unseren Alltag mit den Kindern auszutauschen und miteinander zu wachsen, ist im vergangenen Herbst die *Eltern-Inspiration* entstanden. Wir, vier Unschooling-Mütter aus der Ostschweiz, treffen uns nebst den wöchentlichen Pro-Lernen-Treffs regelmässig ohne Kinder für einige Stunden und reflektieren dabei über die verschiedensten Themen im Zusammenhang mit unseren Kindern. Gegenseitig haben wir uns auch autorisiert, dass wir uns ehrliche Rückmeldungen geben dürfen. Obwohl wir uns jeweils einen ganzen Morgen treffen, verfliegen die Stunden im Nu und die Gespräche sind immer sehr profund, lebendig und bereichernd.
Unser momentanes Schwerpunkt-Thema heisst: Grenzen mit Kindern! Wir Unschooler werden oft mit antiautoritärer Erziehung in den gleichen Topf geworfen. Meistens wird angenommen, dass unsere Kinder ALLES dürfen, da sie ja nicht zur Schule müssen und selber entscheiden dürfen, was sie gerade tun und lernen wollen. Da wir aber unsere Kinder weder antiautoritär erziehen noch überhaupt erziehen wollen, führt das bei Vielen zu Verwirrungen.
Einige unserer LieblingsautorenInnen wie Naomi Aldort, John Holt, Marshall Rosenberg, Jesper Juul, Rebeca Wild und Andere bilden die Basis für unseren Austausch. Es geht vor allem ums wo setze ich Grenzen, wie setze ich Grenzen und wie helfe ich dem Kind dabei, die Grenze einzuhalten. Darüber könnte man jetzt natürlich ein ganzes Buch schreiben, doch ich werde versuchen, unser profundes Gespräch auf einige Kernsätze zusammenzufassen:
Beim wo setze ich Grenzen kamen wir schnell zum Schluss, dass wir so die Grenzen setzen, dass für alle Beteiligten eine entspannte Umgebung gewährleistet ist. Eine entspannte Umgebung bedeutet, dass sich ein Mensch, egal welchen Alters, körperlich und emotional sicher und wohl fühlt.
Natürlich gibt es viele Arten, wie man Grenzen setzen kann. Für uns ist immer wieder spannend, wie unterschiedlich berühmte Autoren das Thema Grenzen angehen. Während Wild’s z.B. gerne die Grenzen so knapp wie möglich erklären, setzt Jesper Juul die Grenzen bei sich selber statt beim Kind, indem er sagt: ICH will das nicht. Wie es Marshall Rosenberg angeht, ist im Beispiel unten beschrieben. Bei Naomi Aldort ist alles nochmals anders. Mit ihrer wunderschönen Formel S.A.L.V.E (S für stummes Selbstgespräch, A für Aufmerksamkeit, L für Lauschen, V für Verständnis und E für Ermutigen) schafft sie einen einfühlsvollen Zugang zum Kind.
Damit sich ein Kind auch an Grenzen halten kann, ist es wichtig, ihm dabei zu helfen. Es gibt materielle Hilfen wie z.B. Kisten und Gestelle, welche das Ordnung halten erleichtern. Andere Arten von Hilfen können sein: mit dem Kind vorausplanen, Zeit geben, das Kind physisch begleiten, und ganz wichtig auch, dass wir als Grenzsetzer zur Grenze stehen, vorausgesetzt dass die Grenze Sinn macht. Dies sollte man sich allerdings vorher schon gut überlegen! Ein Kind kann sich nämlich ziemlich allein, verlassen und verunsichert fühlen, wenn wir plötzlich von der Grenze abweichen und nachgeben.
An einem Beispiel aus unserer Entdeckungsreise zum Thema Grenzen mit Kindern, welche wir zusammen an der letzten Eltern-Inspiration gemacht haben, möchte ich kurz erläutern, wie man ohne Stress ein Kind an eine Grenze erinnern kann. Einstimmig sind wir nämlich der Meinung, dass auch das Aufräumen und Ordnung halten für uns wichtig sind. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht gar nicht nach “entspannter Umgebung”. Interessanterweise machen wir aber alle die gleiche Erfahrung: Wenn nicht aufgeräumt ist, wird uns und den Kindern immer unwohler. Schon unzählige Male durften wir beobachten, wie unsere Kinder ein Zimmer oder eine Ecke tagelang mieden, bis die Unordnung dort wieder aufgeräumt wurde. Scheinbar sind wir Erwachsenen nicht die Einzigen, die so empfinden. Denn alle alternativen Schulen, welche nach dem Prinzip des selbstbestimmten Lernens funktionieren und welche wir besuchten, haben ausnahmslos die Regel des Aufräumens und der Ordnung. Wir machen aber auch die Erfahrung, dass das nicht die liebste Beschäftigung der Kinder ist und deshalb bieten wir den Kindern wertvolle Hilfe an. Anstatt: “Geh bitte das Zimmer aufräumen”, haben wir festgestellt, dass ein Kind ohne Murren kooperiert, wenn es vorbereitet wird und Zeit hat, sich darauf einzustellen und von uns bei Bedarf Begleitung bekommt. So könnte man es nach dem Prinzip der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg z.B. auf diese Weise angehen: “Ich habe gesehen, dass in Deinem Zimmer eine Riesen-Unordnung ist (Beobachtung) und es ärgert mich (Gefühl), wenn Du über alle diese Sachen läufst, denn ich möchte, dass sie unbeschädigt bleiben (Wunsch). Bist Du einverstanden, wenn wir morgen nach dem Frühstück miteinander dort aufräumen (Bitte)?” Das kommt bei Kindern mit grosser Wahrscheinlichkeit gut an. Mit dieser Art Kommunikation findet respektvoller Umgang in Kooperation statt und somit werden auch gegenseitige Grenzen respektiert.
Mein Mann und ich spekulierten am Abend noch weiter, dass die Art und Weise von Grenzen setzen vielleicht weit unbedeutender sein könnte, als derjenige selber, der die Grenzen setzt (wer). Authentische Kommunikation mit Spirit, den wir den oben erwähnten Buchautoren allen zugestehen, kommt nämlich bei jedem Menschen an.
Es ist uns klar, dass es kein Rezept mit nur richtigen Anleitungen gibt. Auffällig ist jedoch, wie die Gruppe der Eltern-Inspiration wirklich sehr viele gleiche Ansätze verfolgt, und gerade das macht das Zusammen-SEIN so befruchtend.
[…] tragen wir schon seit einiger Zeit den Gedanken mit uns herum, unsere bewährten und profunden Eltern-Inspirationen auch für andere Interessierte zu öffnen. Diese Idee brauchte Zeit zum Reifen und nun freuen wir […]
Die Eltern-Inspiration ist für mich eine grosse Bereicherung! Gerade weil wir so ehrlich miteinander umgehen und die gleichen Grundhaltung haben.
Ich für mich beobachte, dass es bei uns weiterhin stimmig ist kurze Grenzen in Liebe zu setzen.
Da waren die Wilds sehr prägend 😉
Genauso wichtig ist aber das vorherige Reflektieren! Was hat die Grenzübertretung ausgelöst? Zu wenig Aufmerksamkeit, ungeeignete Umgebung, Spannungen usw. Das hilft mir mein Verhalten anzupassen und so Grenzüberschreitungen vorzubeugen.
Ich freue mich auf das nächste Treffen