Integrales Lernen

Integrales Lernen

Wir kennen alle viele Begriffe von Lernen, wie informelles Lernen, kognitives Lernen, natürliches Lernen und viele andere mehr. Integrales Lernen ist jedoch noch nicht so verbreitet, wie es eigentlich sein sollte. Gerne möchte ich hiermit dem Begriff des integralen Lernens mehr Bekanntheit verschaffen. Vielleicht gibt es dem einen oder anderen nach dem Lesen ein grosses AHA.

Um dem Integralen Lernen den notwendigen wissenschaftlichen Hintergrund zu verleihen, will ich zuerst Transparenz in meine Quellen erstellen. 

Integral bedeutet einschliessend, ausgewogen, umfassend. Der Integrale Ansatz bildet, im Gegensatz zu anderen Methoden, welche die Inhalte der jeweils anderen Ansätze häufig ausschliessen, ein integrierendes Rahmenwerk, in welches Erkenntnisse aus verschiedensten Wissensgebieten eingebunden sind. Die Grundlagen und das wissenschaftliche Rahmenwerk für den integralen Ansatz bildet die Integrale Philosophie, welche in den letzten zwei Jahrzehnten vom amerikanischen Philosophen und Autor Ken Wilber kartographiert, ausgeweitet und weiter entwickelt wurde. Ken Wilber basiert in seinem Werk auf der Arbeit von unzähligen Wissenschaftlern, die er in seine Landkarte von AQAL (All Quadrants – All Levels) integriert hat, mit dem Ziel die Philosophia perennis zu erstellen. Philosophia perennis im Sinne von derjenigen Grundwahrheiten, die bei allen Völkern zu allen Zeiten vorhanden sein und zusammen die eine Wissenschaft aus dem einen Prinzip ausmachen sollen. Ken Wilber wird nicht einfach so der Einstein der Bewusstseinsforschung genannt. Dass Ken Wilber unter anderem auf den Grundlagen meines persönlichen Hausphilosophen Jean Gebser basiert, freut mich seit jeher.

Ein wichtiger Baustein von AQAL sind das Konzept biopsychosozialer Systeme von Clare W. Graves und deren Weiterentwicklung unter dem Namen Spiral Dynamics von Don E. Beck und Christopher C. Cowan. Auf der Basis so genannter Werte-Meme, die Lebensstile, Glaubensmuster und Einstellungen hervorbringen, entwickelten die Autoren Beck/Cowan eine Methode, mit der sie soziale Systeme, Individuen und wirtschaftliche Entwicklungen analysieren, bewerten und transformieren lassen. Leider kann ich hier nicht die ganze Theorie von Spiral Dynamics abbilden, möchte hier aber trotzdem die Essenzen beschreiben.

Spiral Dynamics beschreibt Werte-Meme, welche in einem spiralen Stufenmodell Ebenen zeigen, die jeweils mit einer Farbe klassifiziert werden (vertikal von unten nach oben von Beige zu Purpur zu Rot zu Blau zu Orange zu Grün zu Gelb zu Türkis zu …).

Von Beige zu Türkis meint von weniger komplexen zu komplexeren Umgebungen oder vom Überleben im Busch zum Surfen über das Internet hinaus oder von einem kleinen flecken Land zum globalen Dorf und Cyberspace.

Die ersten sechs Ebenen von Beige bis Grün zählen zum primären Bewusstsein (Erste Ordnung). Die Ebenen ab Stufe Gelb zählen zum sekundären Bewusstsein (Zweite Ordnung). Den Ebenen des primären Bewusstseins ist eigen, dass eine neu erreichte Ebene die vorgängie Ebene bekämpft und abstösst, z.B. Orange (Mentales) stösst Blau (Mythen) ab. Ab dem sekundären Bewusstsein versuchen die jeweiligen Werte-Meme alle vorgängigen Ebenen der Spirale zu würdigen und die gesunden Elemente zu einer Ganzheit zu integrieren. Keine Ebene ist besser als die andere. Die unteren Ebenen sind das Fundament für die höheren Ebenen. Die höheren Ebenen sind komplexer und weiter entwickelt als die unteren Ebenen. Ken Wilber spricht bereits von Koralle als neuem Werte-Mem und von tertiärem Bewusstsein (Dritte Ordnung). Soweit gehen wir hier aber nicht.

Datei:Spirale der Entwicklung.jpg

Das gelbe Werte-Mem ist gemäss Spiral Dynamics erst seit ca. 1950 sichtbar. Nicht nur das eigene Leben soll gefördert werden. Gute Regierung erleichtert das Aufsteigen von Einheiten auf allen Ebenen zunehmender Komplexität. Nach Schätzungen gehören am Beginn des 21. Jh. ca. 1 Prozent der Weltbevölkerung und ca. 5 Prozent der Machtstrukturen dieser Ebene an.

Wenn wir nun das Lernen entlang der dynamischen Spirale auf den jeweiligen Ebenen anschauen, bekommen wir die Fähigkeit, den eigenen eingeschlagenen Weg zuzuordnen.

Beiges, überlebensorientiertes Lernen, ist instinktiv und wird erreicht, indem man die Intensität der Sinnesreizung variiert.

Purpurnes Lernen wird klassischerweise durch Vorbilder, Wiederholung, Rhythmus und das Erzählen von Geschichten stimuliert.

Rotes Lernen wird konditioniert durch Aktivitäten, bei denen jeder mit anpacken muss und die von unmittelbarer, von aussen kommender Verstärkung begleitet werden.

Das bekannte Blaue Bücherlernen, das auch eine Vermeidungsstrategie ist, orientiert sich mehr an Inhalt und Fakten als an Prozessen und Ideen und wird durch standardisierte Tests, Gehorsam und die Bestrafung von Fehlern bestärkt.

Oranges Erwartungslernen wird auf das reale Leben, “trial and error”-Experimente, Wettbewerbsspiele, Fallstudien und Simulationen ausgerichtet.

Grünes beobachtendes Lernen wird durch Reflexion, Interaktion, Beteiligung und die Beachtung von Gefühlen im Unterschied zu trockenen Inhalten und harten Fakten oder freudig erwartenden Belohnungen stimuliert.

Wenn wir zum sekundären Bewusstsein (Zweite Ordnung) übergehen, finden wir, dass das Gelbe informelle Lernen sich nach dem Rhythmus, den Bedürfnissen und Interessen des jeweiligen Individuums richtet. Belohnungen sind eher intrinsisch als extrinsisch, und Lernen auf der Grundlage eigenen Entdeckens und Erkennens wird wichtiger als programmiertes, schriftliches Wissen.

Türkises experimentierendes Lernen findet in gemeinschaftlichen – sowohl sozialen als auch elektronischen – Netzwerken statt und ist von einem tief empfundenen Teilen von Bewusstsein und Einsichten geprägt.

Und nun komme ich endlich zur Essenz, was wir unter Integralem Lernen verstehen:

Beim Integralen Lernen geht es uns darum, für die Kinder eine Lernumgebung zu schaffen, die zu einer grossen Bandbreite von Lernstilen (alle Ebenen) passt und nicht nur unseren eigenen Vorlieben entspricht. Aus dem Geist des sekundären Bewusstseins heraus, stellen wir unseren Kindern eine optimale Lernumgebung zur Verfügung, welche sie dem Gelben Werte-Mem entsprechend zu eigen machen dürfen.

Und? Es funktioniert!

Den materiellen Inhalt dieses Aufsatzes habe ich grösstenteils aus dem Buch ‘Spiral Dynamics – Leadership, Werte und Wandel’ von Don E. Beck und Christopher C. Cowan, das sich zu lesen lohnt. Es hat nichts mit Kindern zu tun, sondern ist glasklare Philosophie.

By |2011-02-05T19:05:00+01:005. Februar 2011|Integral, Lernen, Philosophie|0 Kommentare

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....... ist ein vom Kind geleitetes Lernen im normalen Wohn- und Lebensumfeld der Kinder, zusammen mit ihren Eltern oder nächsten Bezugspersonen ohne jeglichen Versuch die traditionelle Schule und ihre Lehrpläne nachzuahmen. Es gibt daher keinen geplanten Unterricht oder bestimmte Zeiten am Tag, für die schulähnliche Aktivitäten vorgeschrieben sind. Themen werden behandelt, wenn das Interesse des Kindes es verlangt. Die Eltern - oder die Personen, mit denen das Kind zusammenlebt – sind weniger Lehrer als Unterstützer und Begleiter der Lebens- und Lernprozesse.

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