Lese-Entwicklung

Lese-Entwicklung

Seit einiger Zeit liest uns Sara regelmässig Geschichten vor. Aus ihrem Geschichtenordner wählt sie zwischen einfacheren und schwierigeren, kürzeren und längeren Geschichten aus, sucht sich einen bequemen Platz und beginnt zu lesen. Sie liest die einfacheren Geschichten fliessend und deutlich, mit einer schönen Aussprache und versteht auch alles, was sie liest. Das Lesen hat ihr nie jemand beigebracht. Es hat ihr auch nie jemand Druck gemacht, dass sie lesen lernen sollte. Das war ihr eigenes Bedürfnis. Und in einer lesenden Familie, so glauben wir, ist es nicht einmal zu vermeiden, dass ein Kind irgendwann einmal lesen lernen will. Bei Sara kam das Interesse für Buchstaben, als sie viereinhalb Jahre alt war. Sie beobachtete mich damals, wie ich auf einen bereits adressierten Brief neben die Marke ein grosses A schrieb und wollte wissen, weshalb ich hier ein Tipi (Zelt) male. Von da an sah sie überall jedes A und wir hängten die Buchstabentabelle von Dr. J. Reichen auf, auf der jeweils ein Bild und daneben der entsprechende Anfangsbuchstaben zu sehen ist. Es dauerte nicht lange, und sie kannte jeden Buchstaben. Parallel dazu richteten wir ihr eine Buchstaben-Ecke ein mit verschiedensten Materialien zum Buchstaben tasten und fühlen, malen, memorieren, spielen, usw. All dieses Material interessierte sie aber nicht im Geringsten. Erst nach ca. einem Jahr holte sie dort die Wort-Bild-Karten hervor. Aus heiterem Himmel las sie nun ganze Wörter und suchte das entsprechende Bild dazu. Für einen Monat war dieses Spiel ein Hit für Sara, danach war wiederum Pause für ein weiteres Jahr. Natürlich war nicht wirklich Pause für Sara, doch das Lernen geschah innerlich und für uns meist unmerklich und man hätte meinen können, dass sie kein Interesse mehr am Lesen hat. Nun hat sie vor kurzem einen dicken Geschichten-Ordner hervorgeholt und liest seither mit Begeisterung ganze Geschichten darin. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass man die Kinder nichts lehren muss. Sie bringen es sich selber bei, sofern die Umgebung es auch zulässt. Vielleicht findet es unter solchen Bedingungen einfach natürlicherweise statt. Vom Buchstaben zum Wort zu Sätzen vergingen so ungefähr zwei Jahre unmerkliches Lernen.

Wir können darüber nur staunen.

By |2007-10-30T20:00:00+01:0030. Oktober 2007|Lernumgebung, Lesen|1 Kommentar

Ein Kommentar

  1. Anonymous 20. November 2007 um 13:02 Uhr - Antworten

    Da habt ihr völlig recht, da kann man wirklich nur staunen. Als Eltern braucht man aber auch sehr viel Geduld, muss das Vertrauen haben, dass das Kind auch lernt, wenn wir nicht offensichtliches Lernen erkennen. Für uns ist es sehr hilfreich mitzuerleben, dass es bei euch sehr ähnlich läuft wie bei unseren Kindern. Ganzheitliches Lernen braucht eben Zeit und die entsprechenden Lern-Fenster sind bei jedem Kind unterschiedlich oft und unterschiedlich lang für ein Thema offen sind.
    stephan zwygart

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Unschooling

....... ist ein vom Kind geleitetes Lernen im normalen Wohn- und Lebensumfeld der Kinder, zusammen mit ihren Eltern oder nächsten Bezugspersonen ohne jeglichen Versuch die traditionelle Schule und ihre Lehrpläne nachzuahmen. Es gibt daher keinen geplanten Unterricht oder bestimmte Zeiten am Tag, für die schulähnliche Aktivitäten vorgeschrieben sind. Themen werden behandelt, wenn das Interesse des Kindes es verlangt. Die Eltern - oder die Personen, mit denen das Kind zusammenlebt – sind weniger Lehrer als Unterstützer und Begleiter der Lebens- und Lernprozesse.

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